Kommentar von Dr. Adolf Illichmann

Die Malerin Eleonore Hettl

Kommentar von Prof. Franz Kaindl

 

Ihr künstlerischer Werdegang war stets vom Bestreben geprägt, aus der Kontinuität heraus neue Wege zu gehen, fortzuschreiten zu neuen Erfahrungen und diese in ihrem Werk entsprechend zu integrieren und weiterzuentwickeln. Auf Grund ihres künstlerischen Potentials vermag sie sich in abbildnahen Bereichen ebenso souverän und überzeugend zu artikulieren wie auf höheren Stufen der Loslösung vom Gegenständlichen, wobei für sie jedes neue Bild eine jeweils spezifische Herausforderung bedeutet.

In ihren meist großformatigen, in Mischtechnik ausgeführten Gemälden, gelingt es Hettl dank ihrer subtilen Sensibilität und Intuitionsfähigkeit in Verbindung mit der Ausdruckskraft ihrer Farbgebungen wesentliche Charakterzüge und emotionale Anziehungskräfte einer Landschaft auf die Leinwand zu transferieren. Die Kälte eines klaren Waldviertler Wintertages wird ebenso spürbar und nachempfindbar wie die sommerlich leuchtende Wärme südlicher Gefilde. Auf diese Weise schafft sie eine menschlich beseelte Szenerie, deren Ausstrahlung den Betrachter unmittelbar berührt und anspricht. Nicht selten wird diese Wirkung durch die Umsetzung realer Gegebenheiten in mystisch-magische und physiognomische Qualitäten noch verstärkt. So finden sich da und dort ferne Gebäude und Kuppeln, die wie Luftspiegelungen dem Irdischen entrückt zu sein scheinen; Häuser, in einer Weise zueinander gruppiert, als würden sie sich ein Stelldichein geben; andere wieder, die den Betrachter aus Fassadengesichtern mit Fensteraugen anblicken oder geisterhaft verfremdet zwischen Hügeln hervorschimmern, als hätten sie ein Geheimnis zu verbergen; Bäume, die ihre schütteren Kronen wild gestikulierend zum Himmel strecken oder (wie die Zypressen) der südlichen Kulisse einen Zug stoischer Ruhe und kühler Gelassenheit verleihen. Sogar an den Menschen, die in einigen der Landschaften anzutreffen sind, haftet eine gewisse (oft auch düstere) Unergründlichkeit. Letztendlich kommt in all diesen Bildern etwas zum Tragen, das tiefergelegene menschliche Empfindungsbereiche und Erfahrungsebenen zu erreichen scheint und wer weiß, ob dabei nicht auch unbewußten Aspekten eine besondere Rolle zukommt und zwar in dem Sinne, daß geradezu archetypische Erlebnisgründe angesprochen werden.

Im Hinblick auf den Bildaufbau der Mischtechnikbilder erscheint bemerkenswert, daß in den in letzter Zeit entstandenen Arbeiten eine zunehmende Tiefenwirkung feststellbar wird. Dies dürfte zum einen mit einer differenzierteren Abstufung der einzelnen Farbqualitäten bis hin zu einem farblich abgeschwächteren Hintergrund, zum anderen damit zusammenhängen, daß die Vordergründe eine stärkere Ausgeglichenheit erfahren haben, indem an Stelle einer mit kräftigen Pinselstrichen und kontrastreichen Farbwerten erzeugten Aufgewühltheit ausgeglichenere bzw. flächiger gestaltete Bereiche vorherrschen. Ähnliche Aussagedimensionen und -qualitäten wie in den Mischtechnikbildern sind auch in Hettls Aquarellen zu finden. Die besondere aquarelltechnische Möglichkeit, Farben ineinanderfließen und Konturen teilweise verschwimmen zu lassen, bringt des öfteren sogar noch einen verstärkteren Hauch visionärer Verklärung ins Bild, was dem Dargestellten insgesamt einen geheimnisvollen Anstrich verleiht. Im Laufe der Jahre haben sich Kontrast, Kontur und teilweise auch die Farbintensität der Aquarelle gesteigert. Auch in ihnen führt der gekonnte, spontane und temperamentvolle Umgang mit Farbe und Pinsel, der charakteristische, impulsive Duktus der Künstlerin, sowie die unmittelbare, vorzeichnungsfreie Umsetzung der Motivvorgaben zu einer erfrischenden Lebendigkeit und Lockerheit. Ähnlich wie bei ihren Mischtechnikbildern unterzieht sie die gegenständliche Wahrnehmungswelt einem von ihrem individuellen Erlebnis- und Betrachtungshorizont geprägten kreativen Umformungsprozeß, der eine virtuose Loslösung vom Detail bewirkt.

In den Landschaftsbildern der Künstlerin finden sich neben österreichischen Motiven (insbesondere aus ihrer engeren Waldviertler Heimat) vor allem italienische Szenarien, wobei sie bisher toskanische, ligurische und venezianische bevorzugt hat. Dort, wo sie Menschen bzw. figurale Darstellungen in die Gestaltung miteinbezieht, was in ihren neueren Arbeiten verstärkt der Fall ist, spielen diese im landschaftlichen Gesamtkonzept zwar meist nur eine untergeordnete Rolle, tragen aber als dynamische Elemente nicht nur zu einer zusätzlichen Belebung bei sondern führen auch zu einer gewissen Verlagerung der Betrachtungs- und Interpretationsschwerpunkte.

Mit dem ihr eigenen Elan, gepaart mit der Fähigkeit, das Wesentliche rasch zu erfassen, geht Hettl auch beim Aktzeichnen ans Werk. In markanter und sicherer Strichführung setzt sie die charakteristischen Konturen. Anstatt sich in Details zu verlieren erreicht sie durch großzügige Reduzierung, daß eine bestimmte Körperposition (zum Beispiel eine liegende Stellung) wie aus einem Guß entstanden zu sein scheint und als Gesamtentwurf beeindruckt und überzeugt.

Wer sich mit Hettls Bildern nicht nur oberflächlich beschäftigt, wird darin mehr entdecken als die Augen zu sehen vermögen. Dies ist wohl darin begründet, daß die Malerin bei ihrer Auseinandersetzung mit der Welt nicht nur Motive für den Pinsel sucht. Sie ist imstande, ihr mit unvoreingenommenem Gefühl und unverfälschter Phantasie zu begegnen. Dadurch ist sie in der Lage, auch jene Bereiche aufzuspüren und künstlerisch aufzuschließen, die auch dem Herzen zugänglich sind.

Dr. Adolf Illichmann
 

Die Malerin Eleonore Hettl Kommentar von Prof. Franz Kaindl